Historie 2011

 

Dez. 2011:
Erinnerungen an das Schullandheim

Das Jahr weiß ich nicht mehr genau – es müsste 1948 oder 1949 gewesen sein. Georg Heider,  der noch bei uns wohnte, nahm mich mit zur Gründungsversammlung des Schullandheimwerks Mittelfranken. Im Hotel Sterntor war eine Gruppe von Kollegen versammelt, darunter – zu meiner Freude – Karl Boas, der Mann meiner Tante, und sein Freund Hans Brienhäußer, der Direktor der Gehörlosenschule. Ein älterer Herr leitete die Versammlung (mir wurde erklärt, das sei mein oberster Chef, der Regierungsschulrat Adolf Salffner); er wurde dann auch zum Vorsitzenden gewählt. Dann ging es um die Wülzburg, unser Schullandheim, das noch von Flüchtlingen belegt war.

Es dauerte noch bis 1954, bis die Wülzburg wieder als Schullandheim eröffnet werden konnte. Ich meldete mich sofort mit meiner 7. Mädchenklasse an und bekam einen Termin im September. Die Belegdauer war 20 Tage; der Tagessatz betrug DM 2,50; jede Klasse musste eine „Kochmutter“ mitbringen, die vormittags in der Küche beschäftigt war.

Die größte Schwierigkeit war das Finden der Kochmutter. Die meisten Mütter meiner Klasse hatten entweder eine große Familie zu versorgen, oder sie waren berufstätig. Schließlich erklärte sich eine Kriegerwitwe bereit, mitzufahren. Sie hatte nur eine Tochter. Sie nahm dafür ihren Jahresurlaub. (Die Kochmütter wurden finanziell nicht entschädigt!)

Das Reisegeld war leichter zu beschaffen: Ich legte ein Sparbuch an, in das samstags eingezahlt wurde. Meine Schülerinnen suchten sich kleine Beschäftigungen und brachten getreulich jeden Samstag DM 5,- mit. An einem Septembermontag ging es los. Wir fuhren mit der Eisenbahn nach Weißenburg und erklommen den Berg mit Sack und Pack. Durch das wunderschöne Burgtor kamen wir in den weiten Innenhof. Meine 50 Schülerinnen bezogen zwei Schlafsäle. Außer uns kamen noch zwei
Klassen der Gehörlosenschule (zusammen 25 Kinder) mit Hans Brienhäußer und einem jungen Kollegen. Unser Tagesablauf spielte sich schnell ein: Vormittags Unterricht, nachmittags Wandern – 3 Lehrer mit 75 Kindern.

Von da an gehörte das Schullandheim fest in meinen Jahresablauf. (Auch die Kinder wussten das: „Nächstes Jahr kommen wir zu Ihnen. Wann fahren wir in’s Schullandheim?“) Erst ging’s auf die Wülzburg, dann nach Vorra (heiß geliebt!). Später kamen dann Obersteinbach, Heidenheim und Pfeifferhütte und Mimberg dazu.

Der Tagesablauf stand fest: Nach dem Frühstück eine Stunde Chorgesang (meine Klasse war immer der Schulchor), dann eine Stunde Sachunterricht. Nach der Pause Führung des Tagebuchs: Jeden Tag einen Eintrag (Was war das Interessanteste des gestrigen Tages) . Nach dem Mittagessen und der (vorgeschriebenen!) Mittagsruhe eine Wanderung, eine Schnitzeljagd oder ähnliches. Nach dem Abendessen wurde gespielt und nach dem Schlafengehen – gerechnet. (Wer keine Ruhe gab, musste in den Schulraum, wo etwa 100 Prozentrechnungen an der Tafel standen. Die Nachtruhe funktionierte meist sehr schnell.)

20 Tage lang 24 Stunden im Dienst – warum tat ich mir das an? (Einige Kollegen fragten so!)

Ich lernte meine Schülerinnen kennen: Die Stillen, die im Unterricht kaum auffielen, entpuppten sich oft als ausgleichende, hilfsbereite Kameraden; die „Begabten“ zeigten oft Schwächen, wenn es um Küchen- und Ordnungsdienste ging. Bald wurde klar, dass es keine „Unbegabten“ gibt, sondern dass jeder Mensch seine eigenen Talente hat. Diese Erkenntnis tat Lehrerin und Schülerinnen gut.

Nach der ersten Begeisterung über den Einzug ins Schullandheim wurde schnell klar, dass von jedem Einzelnen verlangt wurde, sich einzuordnen, das enge Zusammensein zu akzeptieren. Alle Jahre wieder: Der dritte Tag!!! Streit, Geschrei – Zickenkrieg! Ab dem vierten Tag wurde es immer besser; am Ende der ersten Woche klappte es mit der Ordnung im Schlafraum und im Schulraum. Nach drei Wochen war die Klasse eine Gemeinschaft. Die Freundschaften dauern bis heute an.

„Der Unterricht wird zum Lokaltermin.“ Die damaligen „Sachfächer“ der Oberstufe (Geschichte, Erdkunde, Naturkunde) mündeten im Schullandheim in ein Fach: Erforschung der fränkischen Heimat. Ob es auf der Wülzburg um Limes, Karlsgraben, Steinerne Rinne ging oder in Vorra um Felsenbildung, Windloch, Tropfsteinhöhle – alles wurde erkundet. Dazu kam noch die Pflanzenwelt des Jura. „Was blüht denn da?“ war der unentbehrliche Begleiter auf allen Wanderungen. Aber auch die Kulturpflanzen der Äcker und die Bäume und Sträucher des Waldes waren für viele meiner Gostenhofener Stadtkinder unbekannt.

Einmal wurde ich vom Schullandheimwerk verständigt, dass die Wülzburg-Belegung ausfallen müsse, weil die Köchin ihre Stellung plötzlich verlassen habe. Nach Beratung mit meiner 8. Klasse bat ich, die Lebensmittellieferungen wie geplant loszuschicken. Im Rahmen des Hauswirtschaftsunterrichts (der damals von der Klassenlehrerin gegeben wurde!) übernahmen wir das Kochen selbst: Jeden Vormittag ging eine Gruppe mit mir in die Küche, während die anderen ihren Tagebucheintrag machten. Das wurde ein fröhlicher Aufenthalt!

Eine Kollegin, die immer in der 3./4. Jahrgangsstufe gearbeitet hatte, musste in die 7./8. Klasse wechseln. Sie hatte große Skrupel, ob sie mit den großen Mädels zurecht kommen würde. Ich schlug ihr vor, mit ihr zum Schuljahresbeginn nach Vorra zu fahren. Nach drei Wochen Schullandheim war sie eine begeisterte Oberstufenlehrerin, die die „Großen“ wunderbar in der Hand hatte.

Mit Grete Möckel war ich oft zusammen im Schullandheim. Bei unseren Wanderungen ging ich immer an der Spitze, Gretel am Ende unserer langen Schülerschlange. So verloren wir keines unserer Schäflein.

In Obersteinbach gerieten wir eines Tages in ein Gewitter. Zum Glück waren wir schon in der Nähe des Dorfes. Trotzdem kamen wir klitschnass ins Schloss. Wir sorgten als erstes dafür, dass die Kinder sich umzogen. Im Trainingsanzug sollten sie sich im warmen Speisesaal einfinden. Wir wollten uns auch gerade „trocken legen“, als ein lautes Gezeter uns beide wieder aus unseren Zimmern trieb. Die Verwalterin hatte den ruhigen Nachmittag dazu benützt, das enge Treppenhaus einer gründlichen Reinigung zu unterziehen, und jetzt war alles wieder schmutzig! Grete Möckel erklärte, dass wir das schon wieder in Ordnung brächten. Die Verwalterin zog schmollend ab. Wir beide zogen uns um, gingen in die Küche, holten Eimer und Lappen und putzten die Stiege – Gretel ein Stockwerk und ich das andere. Von da an wurden wir mit erlesener Aufmerksamkeit behandelt.

Wenn ich heute zu Klassentreffen eingeladen werde, höre ich immer den Satz: „Am schönsten war’s im Schullandheim.“ Und eine inzwischen Siebzigjährige sagte mir: „Das schönste Erlebnis in meinem Leben war unser Abendlied auf der Terrasse in Vorra.“ Da wusste ich, dass ich es richtig gemacht hatte. 

Nürnberg, Dezember 2011 Margit Heidecker

  • Mitglied des Schullandheimwerkes Mfr. e. V.
  • Ehrenvorsitzende des NLLV
  • Ehrenmitglied des BLLV seit 25. Mai 1990

 

5. Juni 2011:
Das Schullandheim Vorra beteiligt sich am Festumzug
„1000 Jahre Vorra“

Die 1000-Jahr-Feier von Vorra stand unter dem Motto „Wir machen´s fränkisch“. Frau Waitz, Heimleiterin des Schullandheimes Schloss Vorra, nahm mit Ihren Mitarbeiterinnen an dem Festzug teil. Herr Gaul, Vorsitzender des Schullandheimwerkes Mfr. e. V., konnte sich trotz seiner Beinverletzung ebenfalls mit einigen Mitgliedern der Vorstandschaft beteiligen.

Juni 2011:
2011 ist das „Jahr des Schullandheims“ –  Grußwort des Bundespräsidenten

Link zum Grußwort

16. Mai 2011:
Spatenstich für das  „Barrierefreie Europäische Schullandheim Bad Windsheim“

Am 16. Mai um 15:00 Uhr erfolgte der Spatenstich für das „Barrierefreie Europäische Schullandheim Bad Windsheim“. Der Vorsitzende des Schullandheimwerks Mittelfranken Max Gaul und der Bürgermeister der Stadt Bad Windsheim Ralf Ledertheil konnten zahlreiche Gäste begrüßen. An der Feier nahm neben dem Landtagsabgeordneten Hans Herold, dem Regierungspräsidenten von Mittelfranken Dr. Thomas Bauer, dem Bezirkstagspräsidenten Richard Bartsch und dem stellvertretenden Landrat Helmut Weiß viel Prominenz teil.
Der Bau des 5,8-Millionen-Projekts wird im Juli mit der Pfahlgründung starten, und Ende 2012 fertiggestellt sein. Die ersten Kinder und Jugendlichen werden 2013 ihre Zimmer beziehen können.

 

Zum Anfang springen