Walburga heilt einen Knaben

 

Die Geschwister Wunibald und Walburga zogen auf einem Esel durch das Land. Sie waren aus England gekommen, um den Menschen das Evangelium zu predigen.

Ihr Weg führte durch dichte, düstere Wälder, in denen zahlreiche Gefahren lauerten, über kahle Berge und steinige Wege in verlassene Gegenden. Sie hatten beschlossen, überall eine längere Rast einzulegen, wo ihr Esel stehen blieb. Der erste Aufenthalt im Frankenland war dort, wo heute Heilsbronn liegt. Nachdem sich hier alle Menschen taufen ließen und Kapellen und Kirchen bauten, zogen die beiden weiter.

Schon nach einigen Tagen blieb der Esel wieder stehen – mitten im Wald. Die Geschwister suchten eine Quelle und kamen überein, an dieser Stelle für immer zu bleiben. Die Menschen nahmen den christlichen Glauben an und ließen sich von Wunibald und Walburga an dem Brunnen taufen, den sie von nun an Heidenbrunnen nannten.

Ganz in der Nähe stand die trutzige Burg der Grafen von Truhendingen. Der Burgherr wollte von den Fremden und ihrem neuen Glauben nichts wissen und betete weiterhin seine Götter an. Da wurde eines Tages sein einziges Kind, ein Junge, schwer krank. Alle fürchteten um sein Leben. Auch die Götzenpriester und die Kräuterfrauen konnten nicht helfen.

Walburga aber vernahm eine Stimme: „Steh auf“, sagte die zu ihr, „geh´ in die Burg des Grafen von Truhendingen! Dort liegt ein todkrankes Knäblein. Kein Arzt kann es mehr retten. Mach dich in meinem Namen auf den Weg! Ich will dich leiten und die Menschen durch dich meine Kraft und meine Macht erkennen lassen.“ Walburga tat, wie ihr geheißen. Sie klopfte ans Burgtor. Als es sich öffnete, stürzte eine Meute scharfer Hunde heraus. Die Frau schritt ohne Furcht auf sie zu. Die Tiere bellten plötzlich nicht mehr, sie senkten die Köpfe, wedelten mit den Schwänzen und winselten.

Erstaunt erschien der Graf auf der Treppe. Walburga erklärte ihr Kommen: „Der Herr hat mich zu dir geschickt. Er hat mir den Auftrag gegeben, deinen Sohn gesund zu machen. Du musst nur glauben, dass er, der Mächtigste von allen, dieses Wunder vollbringe kann.“ Der Graf war so überrascht, dass er kein Wort herausbrachte. Er führte die Heilige an das Bett des Knaben. Sie kniete nieder, betete zu Gott und legte dem kranken Kind die Hände aufs Haupt. Dann erhob sie sich und verließ ohne ein Wort zu sagen, den Raum und die Burg. Wieder schwänzelten die scharfen Hunde ganz friedlich um sie herum. Der Burgherr schüttelte den Kopf. Das verstand er nicht.

Er ging an das Krankenbett zurück. Der Knabe schlief ruhig, sein Herz schlug wieder regelmäßig, das Fieber sank, und am anderen Morgen war er völlig gesund. Der Graf und alle seine Leute dankten Walburga aus ganzem Herzen. Sie schickten einen Wagen mit Geschenken. Doch die Heilige wehrte ab: „Ich brauche und will keine Geschenke. Ich bin reich, weil ich Gott meinen Vater nennen darf. Nicht ich, nein, er hat das Wunder vollbracht. Reicht die Gaben an die Armen und an die Bedürftigen weiter!“

Die Wunderheilung hat den Grafen bekehrt. Er ließ sich taufen und seine  Familie dazu und alle seine Untertanen. Damit hatte das Christentum in  diesem Raum endgültig Fuß gefasst. Die beiden Geschwister errichteten  hier ihre Wohnstatt. Sie bauten zwei Klöster. Wunibald wurde Abt des  Männerklosters. Walburga stand dem Frauenkloster vor. Den Ort, den sie  damit gründeten, nannten sie Heidenheim.

Quelle: Sagen Legenden Geschichten aus Mittelfranken, zusammengestellt und nacherzählt von A. Kriegelstein, Delp´sche Verlagsbuchhandlung, München und Bad Windsheim, 1983
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